Großeltern können für ihr Enkelkind auch dann Kindergeld erhalten, wenn Mutter und Kind zwar aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern ausziehen, das Kind aber tatsächlich überwiegend nach wie vor im Haushalt der Großeltern betreut und versorgt wird. Dies hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden.
Der Kläger erhielt bis Mai 2015 für seine drei Kinder C., L. und N. und für seine Enkeltochter M. Kindergeld. Als Teil seiner Beamtenbesoldung erhielt er außerdem einen so genannten Familienzuschlag, dessen Höhe von der Anzahl der Kinder abhängig ist, für die ein Beamter Anspruch auf Kindergeld hat. Die drei Kinder des Klägers und auch sein Enkelkind M. (die Tochter von C.) lebten in seinem Haushalt. Sowohl seine Ehefrau als auch seine Tochter C. waren mit der Zahlung an ihn einverstanden.
Im Mai 2015 zog C. mit ihrer Tochter M. in eine eigene Wohnung. Da C. noch studierte, wurde sie vom Kläger und seiner Ehefrau in der Betreuung und Erziehung von M. unterstützt. Befand sich M. nicht im Kindergarten, wurde sie von C. und/oder dem Kläger beziehungsweise seiner Ehefrau betreut und versorgt. Außerdem übernachtete M. an mehreren Tagen pro Woche in der Wohnung des Klägers in einem eigenen Zimmer.
Die Familienkasse zahlte dem Kläger ab Mai 2015 kein Kindergeld mehr mit der Begründung, dass M. seit dem Auszug von C. zum Haushalt der Mutter (C.) und nicht mehr zum Haushalt des Klägers gehöre. Der Kläger legte erfolglos Einspruch ein und erhob dann beim FG Klage.
Das Gericht gab der Klage statt und ließ die Revision nicht zu, weil es nach der Befragung der Ehefrau des Klägers und der Kindesmutter (C.) als Zeugen die Überzeugung gewonnen hatte, dass M. mit deutlich überwiegendem Gewicht weiterhin in den Haushalt des Klägers aufgenommen sei und dort ihren Lebensmittelpunkt habe. So habe M. seit ihrer Geburt (März 2013) im gemeinsamen Haushalt des Klägers mit seiner Ehefrau und der jungen alleinstehenden Kindesmutter C. sowie deren Geschwistern L. und N. gelebt. Dabei sei zwischen den Großeltern (dem Kläger und seiner Ehefrau) und M. durch die Betreuung, Erziehung und Versorgung eine elternähnliche Beziehung entstanden, die mit dem Auszug von C. und M. im Mai 2015 nicht geendet habe. Da M. in der Wohnung des Klägers weiterhin häufig übernachtet und ihr eigenes Zimmer behalten habe, dort auch in deutlich überwiegendem Umfang vom Kläger und seiner Ehefrau versorgt, betreut und erzogen worden sei, habe nicht nur das besondere familiäre Band zwischen Großeltern und Enkelin, sondern auch die Haushaltsaufnahme fortbestanden.
Der Kläger und seine Ehefrau hätten sich auch auf eine dauerhafte Betreuung eingerichtet und ihre berufliche Situation darauf ausgerichtet. So habe die Ehefrau des Klägers auf eine Erhöhung ihrer gleitenden Arbeitszeit verzichtet und der Kläger arbeite an mehreren Wochentagen am häuslichen Telearbeitsplatz. Die Betreuungsleistungen des Klägers und seiner Frau seien wohl auch aus Sicht der C. von hohem Gewicht, da sie auf ihren Kindergeldanspruch zugunsten des Klägers verzichtet habe. Aber auch ohne diesen Verzicht stünde hier dem Kläger das Kindergeld zu, da es bei mehrfachen Haushaltsaufnahmen keinen vorrangigen Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern gebe. Maßgeblich sei allein, in welchem der Haushalte das Kind überwiegend versorgt und betreut werde.
Im vorliegenden Fall war die Frage, ob der Kläger oder seiner Tochter C. (vorrangig) kindergeldberechtigt ist, laut FG deshalb von entscheidender Bedeutung, weil der Kläger als Teil seiner Beamtenbesoldung einen so genannten Familienzuschlag erhielt, dessen Höhe von der Anzahl der Kinder abhängig ist, für die ein Beamter Anspruch auf Kindergeld hat. Hätte das Kindergeld für das Enkelkind also nicht ihm, sondern seiner Tochter zugestanden, hätte er einen niedrigeren Familienzuschlag erhalten. Dabei hat die Besoldungsstelle kein eigenes Prüfungsrecht, sie ist vielmehr an die Entscheidung der Familienkasse gebunden. Daher wird über die Höhe des Familienzuschlags „faktisch“ in dem Verfahren wegen Kindergeld gestritten. Dies erklärt, weshalb der Kläger geklagt hat beziehungsweise hat klagen müssen, obwohl er sich mit seiner Tochter (im Innenverhältnis) wohl einig war. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem weit häufigeren Fall, dass sich die potentiell Berechtigten nicht einig sind, wem der Anspruch auf Kindergeld zusteht.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.08.2017, 4 K 2296/15
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Andre Reischert