Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat am 29.11.2018 seine Überlegungen für die Reform der Grundsteuer vorgelegt. Damit soll die Grundsteuer im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auf eine rechtssichere Basis gestellt werden und für die Gemeinden als wichtige Einnahmequelle dauerhaft gesichert bleiben. Zudem sollen die Steuerzahler nicht wesentlich stärker belastet werden. Das Gesamtaufkommen aus der Grundsteuer soll mit dem Vorschlag auf dem jetzigen Niveau stabil bleiben. Außerdem will Scholz ein möglichst bürgerfreundliches Besteuerungsverfahren ermöglichen, das mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand einhergeht und deutlich weniger bürokratisch ist als die bisherige Regelung. Die Vorschläge werden jetzt mit den Ländern diskutiert, um eine Neuregelung rechtzeitig bis Ende 2019 gesetzlich umzusetzen.
Für die anstehenden Diskussionen mit den Ländern bringt das Bundesfinanzministerium (BMF) zwei unterschiedliche Bewertungsansätze ein:
- Ein wertunabhängiges Modell, das an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude ansetzt. Die Gebäudefläche soll dabei in einem vereinfachten Verfahren bestimmt werden, das sich zum Beispiel an den Geschossflächen orientiert. Auf die so ermittelten Flächen von Grund und Boden sowie Gebäuden werden anschließend besondere Faktoren angewendet, die nach der Art der Gebäudenutzung unterscheiden (und für Wohngebäude niedriger ausfallen als für Geschäftsgebäude). Die Werte der Grundstücke und der Gebäude bleiben bei diesem Modell unberücksichtigt. Es basiert auf vergleichsweise einfachen Berechnungen, führt im Ergebnis aber dazu, dass für Immobilien, die zwar ähnliche Flächen aufweisen, sich im Wert aber deutlich unterscheiden, ähnliche Grundsteuerzahlungen fällig würden.
- Ein wertabhängiges Modell, das am tatsächlichen Wert einer Immobilie ansetzt. Dazu sind die Werte von Grund und Boden sowie von Gebäuden anhand bestimmter vereinfachter Verfahren zu ermitteln. Das wertabhängige Modell sorgt dafür, dass vergleichbare Immobilien auch ähnlich besteuert werden. Damit liegt es näher an den Vorgaben des BVerfG für eine realitätsgerechte Besteuerung der Grundstücke auch im Verhältnis zueinander.
Bei der Bewertung der verschiedenen Reformoptionen ist laut BMF zu beachten: In jedem Modell, das die Vorgaben des BVerfG umsetzt, müssten sämtliche Grundstücke neu bewertet werden. Dies gehe zwangsläufig mit Änderungen der Steuerzahlungen einzelner Steuerschuldner einher. Dies gelte auch dann, wenn sich das Grundsteueraufkommen durch die Reform insgesamt nicht erhöht, das heißt wenn sich Be- und Entlastungen insgesamt ausgleichen. Deshalb gehe es vor allem darum, diese Veränderungen sozial gerecht zu verteilen und zusätzliche Belastungen Einzelner entsprechend zu begrenzen. Dieses Ziel lässt sich aus Sicht des BMF besser mit dem wertabhängigen Modell erreichen, bei dem zudem keine Verfassungsänderung notwendig ist.
In dem wertabhängigen Modell bleibe es beim dreistufigen Verfahren, um die Grundsteuer zu berechnen: Zunächst werde der Grundstückswert ermittelt, dann der Steuermessbetrag festgesetzt und schließlich erfolge die Grundsteuerfestsetzung durch Anwendung des kommunalen Hebesatzes.
Die durch das BVerfG-Urteil nötige Reform der Grundsteuer beziehe sich auf die Ermittlung des Grundstückswerts. Unter Beachtung der Vorgaben aus Karlsruhe schlägt das BMF vor, die bisher für die Grundsteuer geltenden Bewertungsverfahren zur Ermittlung der Grundstückswerte zu modernisieren und die Steuermesszahlen anzupassen.
Er bleibe bei der Bewertung von Grund und Boden sowie der darauf befindlichen Gebäude. Konkret sieht der Vorschlag des BMF vor:
- Für unbebaute Grundstücke bleibt das Bewertungsverfahren weitgehend gleich. Der Grundstückswert ergibt sich durch Multiplikation der Fläche mit dem aktuellen (ortsbezogenen) Bodenrichtwert.
- Bei bebauten Grundstücken erfolgt die Bewertung grundsätzlich im so genannten Ertragswertverfahren. Der Ertragswert wird im Wesentlichen auf Grundlage tatsächlich vereinbarter Nettokaltmieten ermittelt, unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer des Gebäudes und des abgezinsten Bodenwertes. Bei Wohngebäuden, die von Eigentümern selbst genutzt werden, wird eine fiktive Miete angesetzt, die auf Daten des Statistischen Bundesamts basiert und nach regionalen Mietenniveaus gestaffelt wird. Dadurch werde verhindert, so das BMF, dass außerordentliche Steigerungen des Mietenniveaus im Umfeld der eigenen Wohnung die Grundsteuer unverhältnismäßig erhöhen.
- Nichtwohngrundstücke – wie zum Beispiel besondere Geschäftsgrundstücke – können häufig mangels vorhandener Mieten nicht im Ertragswertverfahren bewertet werden. Für diese gilt ein Verfahren, das die Herstellungskosten des Gebäudes als Ausgangsbasis nimmt und ebenfalls den Wert des Grundstücks mitberücksichtigt. Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe erfolgt die Bewertung in einem speziellen Verfahren.
- Die Grundstückswerte sollen alle sieben Jahre aktualisiert werden. Dazu sollen die Eigentümer insbesondere Angaben über die Gebäudefläche und die Höhe der Nettokaltmiete machen. Gleiches gilt bei relevanten baulichen Veränderungen in der Zwischenzeit. Die eigentliche Wertfeststellung nimmt dann das Finanzamt vor. Die Wertberechnung beruht auf relativ wenigen, leicht festzustellenden Größen, so dass der Verwaltungsaufwand beherrschbar ist.
Im Ergebnis wird die Neubewertung laut BMF dazu führen, dass die tatsächliche Wertentwicklung der Grundstücke seit 1935 beziehungsweise 1964 nachgeholt wird. Ohne weitere Änderungen an der Berechnung würde dies zu einem deutlichen Anstieg des gesamten Grundsteueraufkommens führen. Um dies zu verhindern und das Ziel der Aufkommensneutralität zu erreichen, würden die – im ersten Schritt – ermittelten Grundstückswerte in einem zweiten Schritt durch die radikale Absenkung der so genannten Steuermesszahl korrigiert, die bundeseinheitlich festgelegt wird. Dabei werde gegenwärtig noch geprüft, ob für große Städte mit besonders hoher Wertentwicklung in einzelnen Stadtteilen/Quartieren eine zusätzliche Ausgleichskomponente notwendig ist. Damit werde die Voraussetzung geschaffen, dass das bundesweite Gesamtaufkommen der Grundsteuer weitgehend konstant bleibt, trotz höherer Grundstückswerte.
Das Grundsteueraufkommen der einzelnen Kommunen könne sich allerdings nach den ersten beiden Schritten verändern. Die Kommunen hätten es aber in der Hand – in einem dritten Schritt – durch die Anpassung der Hebesätze, Aufkommensneutralität in ihren Gemeinden sicherzustellen. Der Bund habe keine Möglichkeit, dies durch Festlegung bundeseinheitlicher Werte zu gewährleisten.
Im Ergebnis würden mit dem Reformmodell zwei zentrale Ziele erreicht, so das BMF. Zum einen werde der gesetzliche Rahmen gemäß den Vorgaben des BVerfG modernisiert, ohne ein völlig neues System der Besteuerung von Grundvermögen zu schaffen. Dies verringere das Risiko struktureller Verwerfungen oder Anwendungsprobleme in der Praxis und schaffe Planungssicherheit für Kommunen und Steuerschuldner. Zugleich werde dadurch die Grundlage für ein in Zukunft elektronisches Besteuerungsverfahren geschaffen. Zum anderen werde eine rechtssichere und sozial gerechte Bemessungsgrundlage geschaffen, da die Besteuerung im Wesentlichen die tatsächlichen Mieten zugrunde legt. Sie spiegelten in der Regel die Werthaltigkeit einer Wohnung wider, wodurch hochpreisige Wohnungen und gute Lagen höher besteuert werden. Außerdem schütze dies langjährige Mieter vor drastischen Anstiegen der Nebenkosten (durch eine umgelegte Grundsteuer).
Bundesfinanzministerium, PM vom 29.11.2018
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