Das FG Münster hat entschieden, dass ein Finanzamt nicht zum Ersatz des Gewerbesteuerausfallschadens verpflichtet ist, wenn es einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid nicht an die Gemeinde übermittelt hat.
Geklagt hatte eine Gemeinde, in deren Gebiet eine KG ansässig ist. Der Beklagte ist das zuständige Finanzamt. Dieses erließ für 2001 gegenüber der KG einen Gewerbesteuermessbescheid, der mehrfach aufgrund von Änderungsanträgen geändert wurde. Der Gewerbesteuermessbetrag belief sich im letzten Änderungsbescheid aus November 2003 auf 600.361,48 Euro. Sowohl den ursprünglichen Bescheid als auch die Änderungsbescheide übersandte der Beklagte auch an die Klägerin, die entsprechende Gewerbesteuerbescheide gegenüber der KG erließ.
Aufgrund einer vom Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung (GKBP) bei der KG für die Jahre 2000 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung ergingen geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2002 und 2003, die sowohl der Klägerin als auch der KG bekannt gegeben wurden. Für 2001 erhöhte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag der KG mit Bescheid vom 15.06.2007 auf 1.073.891,90 Euro. Diesen Änderungsbescheid gab er gegenüber der KG bekannt, versandte ihn jedoch nicht an die Klägerin. Dementsprechend änderte diese auch die bisherige Gewerbesteuerfestsetzung für 2001 nicht.
Bei einer Betriebsprüfung der GKBP bei der KG für die Jahre 2007 bis 2010 stellte der Prüfer fest, dass eine von der KG für 2001 gebildete Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro noch immer bestand, und wandte sich im März 2013 telefonisch an die Klägerin. Aufgrund einer Nachfrage der Klägerin beim Beklagten teilte dieser mit, dass der Änderungsbescheid durch einen Fehler im technischen Verfahrensablauf nicht an die Klägerin versandt worden sei und übermittelte den Änderungsbescheid vom 15.06.2007 am 06.05.2013. Da zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, erließ die Klägerin keinen geänderten Gewerbesteuerbescheid für 2001.
Sie macht gegenüber dem Beklagten einen Anspruch in Höhe von insgesamt 2.627.366,12 Euro geltend. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der aufgrund des 2007 geänderten Gewerbesteuermessbescheids für 2001 festzusetzenden und der tatsächlich festgesetzten Gewerbesteuer zuzüglich Zinsen. Die Klägerin meint, der Beklagte habe seine Pflicht zur Übermittlung des Gewerbesteuermessbescheids an die Gemeinde schuldhaft verletzt.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch aufgrund der entgangenen Gewerbesteuer, so das FG. Ihr stehe kein entsprechender Folgenbeseitigungsanspruch zu. Ein solcher entstehe, wenn durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Beklagte habe durch die Unterlassung der Übermittlung des geänderten Messbescheids in kein subjektives Recht der Klägerin eingegriffen.
Aus § 184 Absatz 3 der AO könne die Klägerin kein subjektives Recht herleiten. Diese Vorschrift bestimme, dass die Finanzbehörden den Inhalt des Steuermessbescheids den Gemeinden mitteilen, denen die Steuerfestsetzung obliegt. Sie sei lediglich Ausfluss der im Grundgesetz verankerten Kompetenzverteilung hinsichtlich der Verwaltung der Steuern. Geregelt werde eine schlichte Informationsweitergabe. Es handele sich um eine verwaltungsinterne Maßnahme rein technischen Charakters ohne unmittelbare Außenwirkung. Dementsprechend gewähre § 184 Absatz 3 AO der Gemeinde keine subjektiven Rechte.
Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergebe sich auch nicht aus der durch Artikel 106 Absatz 6 Grundgesetz garantierten Ertragshoheit. Danach stünden den Gemeinden das Aufkommen der Gewerbesteuer sowie das Recht zu, Hebesätze der Gewerbesteuer festzusetzen. Die Ertragshoheit schütze aber nicht konkrete Steueransprüche der Gemeinden, sondern garantiere ihnen lediglich die Zuweisung des tatsächlich angefallenen Ertrags. Dementsprechend hätten die Gemeinden weder ein Recht auf Erlass bestimmter Steuermessbescheide noch auf Ausgleich des durch Fehler im Steuermessbetragsverfahren verursachten Steuerausfalls.
Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf ihr grundgesetzlich gewährleistetes Recht zur eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft berufen. Dies sei nur dann möglich, wenn die Gemeinde eine nachhaltige, von ihr nicht mehr zu bewältigende und hinzunehmende Einengung ihrer Finanzspielräume darlegt und nachweist. Der bloße Hinweis der Klägerin auf ein Haushaltssicherungskonzept reiche nicht für den Nachweis aus, dass sie durch den vorliegend geltend gemachten Gewerbesteuerausfall nachhaltig an einer ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben gehindert sei, so das FG.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 30.08.2017, 7 K 2828/16 G
Sie haben Fragen zum Thema?
Wenden Sie sich gerne an Ihren Ansprechpartner für Steuerberatung
Andre Reischert