Ein Steuerpflichtiger kann Kosten für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode auch dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen, wenn er dem Finanzamt zum Nachweis der Erforderlichkeit der Behandlung nur eine kurze Stellungnahme des Amtsarztes und kein ausführliches Gutachten vorlegt. Dies hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden.
Ab Februar 2011 ließen die Kläger ihre zweieinhalbjährige schwerbehinderte Tochter in einem von zwei Heilpraktikern betriebenen „Naturheilzentrum“ behandeln. Nachdem die Krankenkasse die Erstattung der Kosten (16.800 Euro) abgelehnt hatte, machten die Kläger die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend und legten ein privatärztliches Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde (Homöopathie) vor. Diese kam zu dem Ergebnis, dass bei dem schweren Krankheitsbild jeder Versuch, das Ergebnis zu verbessern, für die Familie wichtig und auch medizinisch jeder positive Impuls für das Kind zu begrüßen sei, weshalb sie auch ärztlich die Teilnahme am Förderprogramm des Naturheilzentrums empfehle. Auf diesem Attest hatte der zuständige Amtsarzt vermerkt: „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt“.
Das beklagte Finanzamt erkannte die Behandlungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die knappe Äußerung des Amtsarztes stelle kein „Gutachten“ dar, so die Begründung. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Wie das Finanzamt war auch das FG der Auffassung, dass die Tochter der Kläger mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden behandelt worden sei, sodass der Nachweis der Erforderlich- beziehungsweise Zwangsläufigkeit nach § 64 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in qualifizierter Form geführt werden müsse. Diese Anforderungen – so das FG – seien aber erfüllt. Zwar enthalte der Wortlaut des § 64 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 EStDV tatsächlich den Begriff „amtsärztliches Gutachten“. Die Vorschrift ermächtige jedoch nicht nur den Amtsarzt, sondern in gleicher Weise auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei unkonventionellen Behandlungsmethoden zu bestätigen. Hierfür müsse der medizinische Dienst nur eine „Bescheinigung“ ausstellen. Vor diesem Hintergrund und mit Rücksicht auf Sinn, Zweck und historische Entwicklung der Vorschrift seien daher an das „Gutachten“ des Amtsarztes in Bezug auf Form und Inhalt keine höheren Anforderungen als an eine „Bescheinigung“ zu stellen.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.07.2018, 1 K 1480/16, rechtskräftig
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