Die langjährige Arbeit in einem Großraumbüro verursacht auch dann keine Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“, wenn sie mit Lärmeinwirkung durch Mitarbeiter, Klimaanlage, Kühlschrank und zeitweise Bauarbeiten verbunden ist. Der für die Anerkennung einer gerade durch die berufliche Tätigkeit verursachten Erkrankung erforderliche Dauerschallpegel werde bei Weitem nicht erreicht, so das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg.
Ein 48-jähriger Ingenieur, der seit rund 15 Jahren in einem Großraumbüro bei der Robert Bosch GmbH beschäftigt ist, erkrankte an Tinnitus und einer leichten Hörminderung im Hochtonbereich an beiden Ohren. Er wollte erreichen, dass diese Erkrankung von der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit anerkannt und entschädigt wird. Im Juni 2012 hatte der Ingenieur seinen Arbeitgeber informiert. Anschließende Lärmmessungen in dem Großraumbüro ergaben lediglich eine Lärmbelastung zwischen 50 dB und 65 dB. Ein von der Berufsgenossenschaft eingeschalteter ärztlicher Sachverständiger kam zum Ergebnis, dass diese Lärmbelastung viel zu gering sei, um die Erkrankung zu verursachen. Die vorliegende Hörminderung sei altersentsprechend nicht ungewöhnlich. In Deutschland litten drei bis vier Millionen Menschen unter Ohrgeräuschen, die von unterschiedlichsten Ursachen herrührten. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Berufsgenossenschaft die Anerkennung einer Berufskrankheit ab.
Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Bereits das Sozialgericht Stuttgart hat die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit abgelehnt. Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt und klargestellt, dass nicht jede Erkrankung auch eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Die berufliche Tätigkeit müsse Ursache für den eingetretenen Gesundheitsschaden sein. Das habe nicht nachgewiesen werden können. Eine so genannte Lärmschwerhörigkeit könne sich nur bei einer hohen und langer andauernden Lärmbelastung entwickeln. In jedem Einzelfall erforderlich sei der Nachweis, dass die Lärmbelastung entsprechend hoch gewesen ist. Daran fehle es vorliegend. Nach langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien sei davon auszugehen, dass eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Achtstundentag über viele Arbeitsjahre gehörschädigend ist. Dieser Wert werde vorliegend bei Weitem nicht erreicht. Der Ingenieur sei im Großraumbüro keiner derartigen Lärmeinwirkung ausgesetzt gewesen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2016, L 6 U 4089/15
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Dominique Engelhardt